Drückjagd im Thurgau!

Anfang letzter Woche erhielt ich zu meiner grossen Freude eine kurzfristige Anfrage für die Teilnahme an einer Drückjagd im Kanton Thurgau. Wenn ich Erwartungen an diesen Jagdtag gehabt hätte, dann wären sie bei weitem übertroffen worden!!!


"Wie cool ist das denn?" dachte ich, als ich das Mail von einem guten Jagdkameraden, den Thomas, mit der Bitte um Anruf, las...

Lange, lange... nämlich ziemlich genau sieben Jahre ist es her, als wir bei ihm und seiner Frau aus ihrer Hundezucht unsere kleine Parson Russel-Dame Gianna abholten.

Mit viel Liebe und Geduld haben sie die kleine Dame auf ihre jagdliche Zukunft vorbereitet und einiges konnte ich von den beiden lernen. Vor allem war und ist es immer noch sehr spannend ihn als passionierten Jäger und Schweisshundeführer zu erleben und zu sehen, dass der eigene jagdliche Weg noch nicht halb so weit geführt hat...

Gerade haben sie mit Pizza fritta di Soprevento eine tolle Zuchthündin, die ich ja selber unmittelbar auf der Jagd erleben konnte... sie sucht passioniert, bringt die Rehe auf die Läufe und jagt sie kurz und laut an, immer mit einer guten Bindung zum Führer! Die Schweissprüfung hat sie ebenfalls dieses Jahr ohne Abruf mit Bravour bestanden... Ich bin sehr gespannt auf den geplanten Wurf mit ihr im Frühjahr 2018!!

Jedenfalls rief ich natürlich gleich an und er kam ohne Umschweife sofort zur Sache...

ob ich Lust und Zeit hätte, am Freitag bei ihnen auf die Drückjagd zu kommen?

Boah... da brauche ich keine Sekunde zu überlegen! Aber klar doch!!

Tags darauf den Versicherungsnachweis und den Jagdpass zugemailt und er hat direkt die Tages-Jagdkarte für mich gelöst. Wirklich toll!

Und was für ein herrlicher Tag bahnte sich da am Freitag für uns an!

Super Wetter... nicht kalt und nicht zu warm, kaum Wind... einfach perfekt!

Dazu noch ein wundervolles Reh-Revier mit vereinzelten Waldinseln und viel Feld dazwischen. Genauso wie es die Rehe mögen.

Zu einer christlichen Uhrzeit traf ich zusammen mit einem weiteren Jagdkameraden (der Pino, definitiv auch ein cooler Typ!) bei ihm ein und gemeinsam ging es zum Treffpunkt in eine Gaststube zu einem Kaffee. Kurz darauf wurde zur Jagd geblasen und wir wurden vom Jagdleiter, auch der Thomas, kurz über den Jagdtag und die Sicherheitsbestimmungen instruiert. 

Hier muss ich etwas für mich ganz spezielles erwähnen:

Im Gegensatz zu den Jagden bei uns im Solothurn gab der Jagdleiter nicht nur die Kugel bei passendem Kugelfang frei, nein, er wies eindringlich darauf hin, dass auf einem Stand bei viel Anlauf mehr als ein Reh erlegt werden dürfe! Was jagdlich natürlich eindeutig Sinn macht!! In diesem Revier werden nur zwei Treibjagden durchgeführt und so soll auch entsprechend Beute und Strecke gemacht werden.

In verschiedene Gruppen aufgeteilt, wobei ich mit dem Thomas und dem Pino eine Dreiergruppe bildete, machten wir uns schliesslich auf den Weg zu unseren Ständen.

Unterwegs meinte der Pino noch, dass da aber einige Sauen frisch gebrochen hätten...

Thomas stellte mich eine Schrot-Schussdistanz in eine Waldecke hinein, welches in einem 90° Winkel an ein Feld anschloss. "Hier kann alles kommen!" meinte er und dass ich, falls Sauen auf das Feld raus kämen, ohne weiteres an den Waldrand wechseln und eine Sau zu erlegen versuchen solle. Ich sei hier alleine.

Kurz darauf erklingen die Signalhörner und schon geben die Jagdhunde laut, als würde hinter jedem Baum ein Reh stehen! Es vergehen gefühlt keine fünf Minuten, als auch schon eine Rotte Sauen aus dem Waldrand heraus schiesst! Wie geheissen renne ich rüber zum Waldrand... eins, zwei...sechs, sieben... gleich 12 Sauen!

Was für ein Anblick... von gross bis ganz klein ist alles dabei! Vielleicht haben sie mich mitgekriegt, denn sie winkeln von mir weg und rasen in gerader Linie über die Felder zum nächsten Waldstück...

Verdammt! Was ist das?

Da rauscht es gewaltig hinter mir!

Ich drehe mich um... und sehe ungefähr sechs Sauen etwa 40 Gänge von meinem Stand entfernt nach links über die Schneise huschen! Nein, das kann doch nicht sein!!!

Schnell renne ich zurück zum Stand und sehe gerade noch die letzten zwei Sauen links im Dickicht verschwinden... mir bleibt nichts anderes übrig als Sauen-Alarm zu geben... vier Stösse mit dem Signalhorn... mehrmals hintereinander... wenigstens sollen die anderen Jäger auf die Wildschweine gefasst sein!

Etwas kurzatmig, kann ich das gerade Geschehene nicht fassen... schaue zurück auf die Wiese und sehe ein Reh in den bejagten Wald einwechseln. Blicke zurück zu den anderen verpassten Sauen und sehe zwei Rehe, die sich im Dickicht ausserhalb der Schussdistanz nach rechts drücken...

"Was geht denn hier ab?", frage ich mich fasziniert! Unfassbar...

Schon höre ich von links die Treiberwehr herannahen und schaue in ihre Richtung... da schleicht sich doch ein Fuchs heran! Langsam schlage ich das Gewehr an und lasse auf 20 Gänge die Schrote fliegen... der Fuchs liegt! Mit zwei kurzen Stössen in das Signalhorn zeige ich die erfolgreiche Erlegung an.

Die Treiber sind kaum an mir vorbei, als ein riesiger Keiler aus dem selben Waldstück hervorschiesst, aus dem die Rotte zuvor raus kam. Wieder renne ich zum Waldrand... meine Güte, das wird ja ein richtig gehender Sporttag mit viel Jogging!!

Bis ich die Vergrösserung am Zielfernrohr angepasst und angeschlagen habe, folgt der Keiler, der mir nun im Absehen wie ein Frischling scheinen will, der Fährte der vorigen Rotte und ich sehe ihn nur noch von hinten... Also wieder zurück zum Stand.

Puh, mal etwas Ruhe... doch nicht für lange... das Geläut der Jagdhunde will nicht aufhören... es geht von links nach rechts, von vorne nach hinten und wieder umgekehrt.  Da höre ich vor mir etwas durch das Dickicht kommen... eine Rehgeiss springt hochflüchtig auf mich zu und etwa 20 Gänge entfernt an mir vorbei... ich kann  kaum folgen und lasse daher den Finger gerade!

Viel habe ich nach dem Abhornen meinen ungläubigen Kameraden zu berichten! Aber auch die anderen zwölf Jäger hatten viel Anblick - da wurde jeweils von drei, fünf oder sechs Rehen berichtet - so dass nach dem ersten Treiben bereits zwei Rehe und zwei Füchse auf der Strecke liegen!! Wildschweine jedoch leider keine... was für den Rest des Tages auch so bleiben sollte.

Kurz das erlegte Wild versorgt und schon ging es weiter zum nächsten Treiben.

Im Vergleich zum vorherigen Stand geht es hier richtig ruhig zu... gleich zu Beginn verdrücken sich zwei Rehe durch die Brombeeren auf das offene Feld und ab in das nächste Waldstück. Mitte des Treibens springt dann ein Reh durch den Wald direkt in meine Richtung... ich gehe in den Anschlag... es kommt näher und näher... verhofft auf etwas über 30 Gänge kurz hinter einer Baumgruppe und als es frei steht, schiesse ich.

Mir bleibt das Herz stehen... auf den Schuss hin wendet das Reh nämlich abrupt ab und springt in die Richtung zurück, aus der es gekommen ist. Habe ich gefehlt? Ich spanne meine BBF 95 gleich wieder und möchte dem Reh mit der Kugel folgen... doch schon ist es still... wo ist das Reh hin?? 

Liegt es? Oder hat es sich unverletzt weg gedrückt? Mist!

Am liebsten möchte ich gleich den Schweisshund holen und das Reh nachsuchen. Geht noch nicht... bange Minuten für mich... ich gehe die Szene ich Gedanken noch mal durch.

Hat es kurz vor dem Schuss gestoppt? Habe ich zu weit vorgehalten?

Von hinten springt ein Reh vom Feld in den Wald hinein... gute Schussdistanz und Tempo würde passen... doch mein beschossenes Reh liegt nicht. Also nehme ich das Gewehr wieder runter und warte auf das Ende des Treibens. Die drei Hornstösse ertönen endlich!

Ich lasse zur Sicherheit mein Gewehr geladen, umschlage den Anschuss und gehe gleich in die Richtung, wo das Reh eigentlich liegen müsste. Plötzlich höre ich ein Reh springen... es kommt auf mich zu... ist es das von mir beschossene?? 20 Gänge von mir entfernt bleibt es stehen, sichert nach hinten, sichert zu mir hin... läuft ein paar Schritte. Nein, es ist völlig gesund, bewegt sich gut. 

Ich sichere mein Gewehr wieder, huste kurz, lasse das Reh sich so ruhig verdrücken und suche weiter nach meinem Reh... ich sehe leider nichts.

Der Pino will mich von meinem Stand abholen, ich rufe ihn zu mir, melde ihm meinen Schuss und er sagt, dass er das Reh gesehen hätte, wie es sich kurz nach dem Schuss in ein junges Buchendickicht eingeschoben hätte und daraus nicht wieder heraus gekommen wäre. Diese Rückmeldung ist Gold wert!

So können wir mit Thomas und seinem Deutsch Drahthaar gleich am richtigen Ort suchen und finden das erlegte Reh auch einige Schritte weiter... welch eine Erleichterung für mich!! Ihr aufrichtiges Waidheil nehme ich nun mit Freuden gerne entgegen. Mit Pino's Hilfe versorge ich das Stück am Sammelplatz, nachdem wir auf dem Rückweg noch beinahe drei Rehe überfahren haben... Aiaiai!

Nun geht es zum Aser!

Für mich ungewöhnlich, denn normalerweise wird bei uns durchgejagt und erst am Schluss geasert, aber das soll mich nicht stören!!

Erneut erlebe ich hier Gastfreundschaft pur!

Denn für den gemeinsamen Aser wird ein leckerer Kartoffelsalat mit warmen Schinken, dazu etwas Wein und anschliessend Kaffe mit Kuchen gestiftet. Mmhhh... sehr lecker! Und die mitgebrachte Kirschtorte von Pino ist ein Gedicht! Eigentlich möchte man gar nicht mehr weg von der geselligen Runde am warmen Feuer... und doch steht uns mit vollem Magen noch ein letztes Treiben bevor.

Diesmal versuche ich es etwas kürzer:

Es geht nicht lange, bis ich im Dickicht ein Geräusch höre, Rehe vermute und das Gewehr hochnehme... es erscheint aber ein Fuchs... ich lasse die Schrote fliegen, der Fuchs zeichnet, dreht ab und verschwindet in einem nahen Fuchsbau. Unmittelbar auf den Schuss schrecken vier Rehe dahinter im Dickicht weg, wobei eines in meine Richtung springt und in guter Schrotdistanz neben einem Baum stehen bleibt, dabei in meine Richtung blickt. Bereits habe ich hinter meinem Baum nachgeladen, bewege mich nicht und sehe ein zweites Reh hinter einem Baum auf das erste Reh zukommen. Das erste Reh geht langsam nach rechts weg, ich gehe in den Anschlag und warte auf das zweite Reh, welches gerade hinter dem Baum hervorkommt. Alles passt und ich lasse wieder fliegen... Das Kitz fällt im Knall und bleibt liegen. Nun geht die Geiss hochflüchtig ab.

Etwas später kommt noch ein bejagter Fuchs, den ich auf etwas 15 Gänge erlegen kann. Auch Pino hat in diesem Treiben Waidmannsheil und konnte eine Rehgeiss erlegen!

What a day!!!

Am Ende liegt nach dem Versorgen die enorme Anzahl von sieben Rehen und vier Füchsen auf der Strecke. Wobei bei dem Anblick, den alle Jäger hatten, hätten eigentlich mehr Rehe auf der Strecke liegen müssen... doch solch eine Strecke ist ein wahrhaft erfreulicher Anblick!

Nach dem Verblasen der Strecke und dem Stück "Jagd vorbei", helfen wir Thomas noch die Rehe in den Kühler zu hängen und genehmigen uns danach gleich vor Ort einen feinen Whiskey von Pino sowie einige leckere Knebelbeisser von Thomas seinen Damhirschen... Dabei lassen wir den Tag nochmals Revue passieren,  scherzen und lachen... Wie war das nochmal mit den Sauen?

Jäger-Herz, was willst du mehr?

Ich möchte natürlich allen danken, die an diesem Tag dabei waren... den Treibern, den Hunden, dem Mann am Feuer, der Köchin des leckeren Essens, den Jagdkameraden, dem gastgebenden Revier und, und, und...

aber ganz besonders euch beiden, dir Pino, und selbstverständlich von Herzen auch dir Thomas!

Jagdkameradschaft und Passion... ihr lebt das wirklich vor! 

Eigentlich ist ja jeder Jagdtag ein herrlicher Tag, aber dieser Freitag, mit euch an der Seite, mit solch einem Anblick und solch einem Jagderfolg... da fühlt man sich wirklich von Diana und Hubertus begünstigt und als der glücklichste Jäger auf Erden...

Mit herzlichem Waidmannsdank, Delfin