Jagen mit der Schwester

Neues aus dem Jägerhaushalt

Schon lange einmal wollte meine kleine Schwester Ennia mit mir auf den Hochsitz kommen.

Für manch eine Familie mag das nichts besonderes sein, aber bei uns ist das schon eher speziell. Enni und ich sind uns überhaupt nicht ähnlich. Während ich gerne bis zu den Knien im Schlamm stehe, war Enni bisher eher diejenige, die den Gang zum Mülleimer nicht ungeschminkt angetreten hätte. Während ich meine beiden Jagdgebrauchshündinnen führe, hat Enni zwei Chihuahuas, die zwar wohlerzogen sind und dauerhaft auf ihren vier Beinen alleine durch die Welt spazieren, aber dennoch.

Unsere Hunde sind wie wir beiden, sie verstehen sich blendend, kommen aber aus unterschiedlichen Welten. Niemals werde ich vergessen, mit welch saurer Miene mir Belisha und Idefix, so heissen die beiden, auf einem fünfstündigen Querfeldeinspaziergang im Regen gefolgt sind.

Genau so hätte Enni auch geguckt. 

Nun hatte Enni sich mit ihrem Verlobten Christian angekündigt, sie wollten direkt aus Berlin kommen. Meine kleine Schwester mit ihren frisch manikürten Fingernägeln in unserer Jagdhütte, das war für mich nur sehr schwer vorstellbar.

Aber nun gut, ich hatte ihr vom Deluxeplumpsklo und unserer eigenwilligen Dusche erzählt, aber auch, dass sie die Nacht wohl in der Kanzel verbringen müsste.

„Und was ist mit den Viechern?“

„Die wohnen da auch, Schwesterherz!“

Niemals im Leben hätte ich geglaubt, dass meine Schwester das allen Ernstes durchzieht. 

Am Samstag Morgen, deutsche Pünktlichkeit, standen Enni und ihr Partner Christian vor dem Tor unserer Jagdhütte, Dänu, mein Partner und ich, hatten uns vorher lebhaft ausgemalt, was denn das für ein Paar sein könnte. Durch ein etwas turbulentes Jahr hatten wir bis anhin nämlich nur miteinander telefoniert.

Passend rollte ein dicker Mercedes durch das Tor, der sich neben unseren etwas zerbeulten und dreckigen Renault Trafic stellte, wie immer aus dem Ei gepellt stieg mein Schwesterherz aus. Herzliche Umarmung natürlich inklusive und dann zeigte ich ihr unsere Hütte, schon da überraschte mich mein Schwesterherz. Noch vor zwei Jahren wäre sie vermutlich schreiend rausgerannt, der lapidare Kommentar dieses Mal hiess:

„Och, ist ja alles da.“.

Ich war wirklich überrascht.

Dänu und ich hatten die halbe Nacht vorher auf Sauen gepirscht und er war dementsprechend müde, also schnappte ich mir die beiden und zeigte ihnen das Revier.

Enni trug, auch ein Novum, Cargohosen und Wanderstiefel. Mit einem Anflug von Neid muss ich gestehen, dass sie auch darin einfach super aussieht!

Bbis auf ein kurzes Aufmucken, als wir durch die hohe Wiese gingen:

„Aber Lissi, hier gibt es Zecken!“ machte Enni den Revierrundgang ehrlich interessiert und gespannt mit.

Meine kleine Schwester im Revier, darüber musste ich wirklich schmunzeln.

Und so überraschte mich meine kleine Schwester das gesamte Wochenende immer wieder:

- nachts schlief sie im Auto,

- geduscht hat sie drei Tage nicht

- geschminkt hat sie sich auch nicht

- und nachts hat sie, im Gegensatz zu mir, die Sauenpirsch nicht verpasst!
Was ein Jäger doch für einen guten Einfluss auf mein Schwesterherz hat. Sie plant sogar den Jagdschein zu machen, was mich doch mit riesigem Stolz erfüllt.

Dieses Wochenende hatte ich mir nicht halb so entspannt und halb so lustig vorgestellt, wie es schlussendlich war...

aus der Stadt-Tussi ist eine Teilzeit-Tussi geworden, die im anderen Teil ihrer Zeit richtig handfest geworden ist.

Manikürte Fingernägel hin oder her.

Ich sehe es schon kommen, beim nächsten Besuch wird das Team der Frauen dem Team der Männer die Sau vor der Nase wegschiessen und meine kleine Schwester wird in schönster Obelixmanier unsere Beute aus dem Feld tragen, sie aufbrechen und ich werde staunend daneben stehen!!!

 

Waidmannsheil