Wildschweine sind so eine Sache...

Neues aus dem Jägerhaushalt

Nach einem interessanten Ausbildungswochenende sitzen wir noch etwas müde gemeinsam bei einer Cola und erzählen. Innerlich ist mir zum Weinen, denn ich weiss, dass der Jagdsommer meines bisherigen Lebens zu Ende gehen muss.

Ab an die Arbeit, der Garten ruft, los gehts in den Alltag.

„Bei uns stehen im jeden Acker Sauen“, schon werde ich hellhörig. Auf einen Tag kommt es wirklich nicht an, es liegt auf dem Heimweg und überhaupt, mehr Erfahrung sammeln schadet nie. Spontan biete ich meine Hilfe an und so sitze ich nun da mit den schmerzendsten Sitzhöckern aller Zeiten. Ich habe mein Sitzkissen vergessen und harre nun seit dreieinhalb Stunden auf der hohen Leiter aus.

Es war keine Untertreibung, hier sind in jedem Acker Sauen und die Sichtung einer unheimlich kopfstarken Rotte glaube ich sofort. Der Mais oft bis an die Waldkante gesteckt, viele Miscanthusfelder daneben Mais, neben alten Obstbaumalleen und Bioweinbergen.

Für den Spaziergänger ein verwunschenes Kleinod, für den Jäger die Sauenhölle.

Sprichwörtlich.

In der ersten Nacht bezog ich Stellung im Dachzelt, zwischen einem Maisacker, Wiese, Stoppelfeld und Wald in der Nähe einer Natursuhle. In der Sauenwelt quasi „the place to be“ und die Hauptdarsteller der nächtlichen Vorstellung liessen nicht auf sich warten. Mit Krachen und Schmatzen kündigten sie sich an und es folgte ein Geduldsspiel allererster Güte.

Andere Menschen spielen Patience, ich spiele Schach mit Sauen.

Um fünf Ihr morgens stiess ich meinen König um und machte die Augen zu.

Schachmatt.

Ich war fertig, die Sauen auch, ich war ihnen heillos unterlegen.

Trotz vollkommener Stille wussten sie haargenau, dass ich dort war.

Obwohl ich sie jage, wahrscheinlich lieber als jede andere Wildart, nötigen sie mir den grössten Respekt ab.

Allerdings bin ich eine sehr, sehr schlechte Verliererin, eine weitere Nacht würde also nicht schaden. Die Schäden sind bereits jetzt beträchtlich und jeder Jäger mit Sitzfleisch, guten Augen und ausreichend grossem Kaliber ist willkommen. An einem ähnlichen Platz mit sehr hoher Kanzel bezog ich mein Nachtquartier, unter mir mein geliebter Bus mit dem gemütlichen Dachzeltbett.

Es wäre ein Leichtes nun, zu nachtschlafender Zeit unter die warmen Decken zu krabbeln und wohlverdienten Schlaf zu finden. Aber da ist etwas, das mich nicht lässt, rational sind es die finanziellen Belastungen, die durch die Schäden auf meine Freunde zukommen und die ich ihnen gern ersparen würde, aber da ist noch etwas mehr, etwas schwer zu bezifferndes. Seit drei Stunden höre ich Sauen unter mir quietschen, prusten und schmatzen, ich möchte sie überlisten und ich brauche Fleisch für meine Truhe.

Ich gebe mich keiner Illusion hin, die Sauen wissen, dass ich da bin.

Es geht drum, wer den längeren Atem hat.

Noch gebe ich nicht auf.

So dolle tut mir mein Hinterteil noch nicht weh, so kalt sind meine Füsse noch nicht, so müde bin ich auch noch gar nicht.

Nur noch ein bisschen länger, ich schaffe das.

Saujagd ist eine Faszination, die von aussen nur schwer nachvollziehbar ist, aber wen sie packt, der ist für immer verloren. So interessant ich die Blattjagd auch finde, ich würde jedes Piepskonzert für den Bock gern gegen ein nächtliches Tête à Tête mit Sauen eintauschen. Besonders gern mag ich die Begegnungen auf Augenhöhe, dann wird es erst richtig spannend.

Mal schauen, wer heute Nacht den längeren Atem hat.

Waidmannsheil 🌳🌲🌿🍃