Tag 1 nach der Grenzöffnung

© Story by Laika goes hunting

Endlich wieder jagen!

Seit Wochen, ja Monaten habe ich diesen Tag herbeigesehnt. Mein letzter Jagdeinsatz war irgendwann im Januar auf einer kleinen Treibjagd unter Pächtern zum Saisonende im Elsass. Dann kam Covid und dann kam der Lock Down.

 

 

Nach dem Pelzmärit in Thun und der Messe Fischen, Jagen, Schiessen war jagdlich gar nichts mehr los.  Kein Schiesstraining, gar nichts. Zuhause bleiben und stillhalten. Und dann waren auch die Grenzen dicht. Aber lassen wir Corona… ich habe schlicht eine Schreibblockade.


Das erste Highlight war dann die Oeffnung der Jagdschiessanlage – vorerst nur eingeschränkt und nur für Mitglieder. Aber Hauptsache es chlepft und die Tauben zersplittern am Himmel – oder auch nicht😊 Inzwischen haben wir den Schiessbetrieb fast normal wieder aufgenommen – fast normal! So normal wie mit den Einschränkungen und Vorgaben halt möglich!

Auch meine «Familie» ist gewachsen. Der klassische Allradkombi, der aus der Werbung mit Bernhard Russi, hat ein Schwesterchen bekommen, also sozusagen eine grosse Schwester. Er teilt seine Nummer neu mit einem Hippie Bus. Hippie Bus, so mit Blümchen auf dem Kleid – das muss ein Mädchen sein, wenn auch ein etwas wildes Girl – Artemis natürlich! – und ohne Blümchen….. und gestern also der Tag der wiedergewonnenen Freiheit! Schon am Sonntag habe ich mein rollendes Jagdhäuschen beladen. Gestern Mittag war es dann soweit und ich bin losgefahren, wegen der zu erwartenden starken Regenfällen ohne die alte Wachteline (wer will schon mit einem regennassen Hund im selben Bett schlafen?). 

Nach einer gefakten Panne – Artemis wollte wohl meine Nerven testen – kamen wir, also mein Hippiemädchen und ich – endlich im Elsass an. Gleich eine Runde durchs Revier und die Hochsitze fast nicht mehr gefunden. Ueberwachsen wegen der französischen stark regulierten Ausgangssperre. Ich habe dann ein bisschen gewütet und abgecheckt, wo trotz bereits sehr hohem Mais und Weizen noch einigermassen etwas zu sehen ist. Ich habe mich für den Abendansitz am Dreckloch entschieden, oder freundlicher gesagt, am Hochsitz Nummer 11. Ich habe einen Rehbock zugut und sollte allerlei Wildschwein und Fuchs erlegen, wenn denn etwas kommt. Ein Schmalspiesser und ein undefinierbares Rehding (es war schon ziemlich dunkel) kamen vorbei. Sonst tote Hose. Auch die andern hatten nur mässig Anblick und kamen nicht zum Schuss. 

Nachdem wir mit vereinten Kräften und Betriebshandbuch im Stande waren, den Rücksitz in ein Bett zu verwandeln, habe ich mich im Auto eingeschlossen, alle Rollos runtergelassen. Ich habe beim Bunker übernachtet – unserer Jagdbasis. Abgesehen von der brettharten Unterlage habe ich einigermassen gut geschlafen. Ich hatte eigentlich keine Angst. Wer denkt denn, dass da eine Frau alleine in einem Bus draussen im Gaggo schläft? Kollege Jagdleiter konnte nicht schlafen – er hat sich Sorgen gemacht. Es hat halt immer mal wieder Fremde, die bei unserem Bunker grillieren, feiern, saufen…

Am frühen Morgen versuchte ich es noch einmal am Elfer. Ich war ein paar Minuten zu spät und die Rehe schreckten und rannten mit riesigen Sprüngen davon – also ausser Schussweite…. dann ästen sie weiter!

Ich bekam dann noch einen Fasan und einen Jungfuchs vor die Kamera und hatte Freude am Geschehen.  Zurück am Bunker habe ich mir Spiegeleier und Kaffee gekocht und den Morgen genossen.

Ein paar Besuche, ein bisschen Revierarbeit und ein bisschen Shopping und es war wieder Abend. Diesmal hatte ich den Siebzehner im Auge. Diesen Hochsitz hatte ich am Vortag von wilden Reben befreit. Links vom Feldweg Mais und weiter hinten Spargel, rechts Mais. Beidseitig ca. 1 Meter Freifläche zwischen Feldweg und Acker. Ich hatte dort schon Jagderfolg und der Sitz passt einigermassen für mich als nicht allzu grosse Linksschützin. Ich beschäftigte mich mit meiner kleinen Kamera, zoomte hier und dort und machte, glaube ich, unheimlich Lärm. Plötzlich sprangen ein Rehbock und eine Geiss aus dem Spargel, verharrten kurz auf dem Weg, bemerkten mich und hüpften in den Mais. Der Mais war hoch genug, um ihnen Deckung zu geben. Doch der Gwunder war stärker als der Fluchttrieb – der Bock kam zurück. Er kam aus dem Mais, blieb kurz im Graben stehen und lag Sekunden später im Knall. So schnell geht das, wenn es schnell gehen muss. 

Ich habe das Böcklein geborgen; die französischen Wildmarken (Brasselets) sind dieselben, wie bei uns. Am Bunker habe ich es aufgebrochen, gewogen und eingeschrieben. Ein kleiner symmetrischer Sechserbock mit unheimlich spitzen Enden. Der hätte den einen oder anderen Bock schwer verletzen können. Die Kollegen kamen vom Ansitz zurück und waren wie immer erstaunt, dass die Schweizer die Tiere selber aufbrechen (können). Wie jedes Mal nach einem abgegebenen Schuss auf ein Tier, war ich völlig aus dem Häuschen, voller Adrenalin. Es war relativ warm und so beschloss ich, den Adrenalinschub zu nutzen und nach Hause zu fahren. Vier Stunden später, um drei Uhr morgens, hing der Bock in der Kühlzelle und ich lag in meinem Bett. Die Stimme hatte ich unterwegs verloren – lauthals und natürlich vor allem falsch singend, fuhr ich mutterseelenalleine über die nächtliche Autobahn – also nicht alleine – mein Hippiemädchen und ich – und der Rehbock, der zum Glück nichts mehr hören konnte! Glücklich!

Ja, das war Mitte Juni. Inzwischen sind zwei Monate vergangen und die Schreibblockade hat sich gelockert. Auch die Coronamassnahmen sind gelockert. Die Fallzahlen steigen wieder und niemand weiss, wie die Zukunft aussehen wird. Im Moment ist es mir zu heiss, um ins Elsass zu fahren. Ich kann das dem alten Hund nicht zumuten. Sie leidet schon unter der einigermassen angenehmen Bergsommerhitze.

 

Und ja, am 1. September geht hier die Jagd auf den Rothirsch auf. Hier vor der Haustüre! Ich freue mich riesig auf die entspannten Stunden am Morgen und Abend im Wald!

Und dann ist ja auch schon Gamsjagd – die Paradedisziplin sozusagen.

Und im Oktober geht die laute Jagd los, dieses Jahr mit Familienzuwachs Struppi, einem Kopovwelpen (nicht noch ein Hippiekind) – mein Enkelhund Nummer zwei. Und schwupps, Mitte November, ist der Spuk vorbei und ich gehe wieder im Elsass jagen, wenn Covid es zulässt.

 

Ich wünsche euch allen viel Jägersgfehl und eine entspannte, unfallfreie Jagd mit viel Kameradschaft!

 

 

Die mit Laika jagen geht