Brauchen wir Glitzershirts?

Die letzte Drückjagd in diesem Jagdjahr stimmt mich nachdenklich...

Es war eine herrliche Jagd:

keine Unfälle, moderat viel Action.

Ganz so, wie es mein Herz begehrt, oder vielleicht doch schon einen Tick zu viel?

Denn zum Nachdenken bringt mich genau diese Tatsache...

wie viel Action vertrage ich auf der Jagd eigentlich wirklich?

Als Hundeführerin habe ich meine ersten Schritte gemacht und meine Hunde sind unbestritten die Quelle meiner Passion, neben einer gefüllten Tiefkühltruhe.

Exotische Jagdreisen finde ich spannend, investiere mein Geld aber eher in einen Vorsorgefonds... teure Waffen gefallen mir, aber ich habe ja eine, die wunderbar funktioniert.

Kurzum, ich werde ein Bünzli - oder für die geneigten deutschen Leser - ein Spiesser.

Wenigstens ein bisschen.

Und so jage ich auch...

Ohne Scherz!

Ansitz, ein bisschen Pirsch, das mag ich.

Mal mit der Flinte los, die Vorstehhunde arbeiten lassen, das finde ich toll. Exotisch oder gar gefährlich ist da wenig bei.

Selbst auf Drückjagden, wo man erwarten würde, dass ich mich mitten durch den Busch schlage, Messer zwischen den Zähnen, bereit jede Sau umzuwerfen, die sich mir in den Weg stellt... selbst da liegt man falsch.

Ich habe praktisch die gesamte Saison mein Messer unbenutzt durch den Wald getragen. Ich bin ein Fan der traditionellen Jagd... Hunde bringen das Wild vor die Schützen, die schiessen, ich rufe Hurra und bin dankbar, wenn der Kelch des Abfangens wieder an mir vorbeigegangen ist.

Ich stehe dazu, ich hab Schiss die Hunde zu verletzen, etwas falsch zu machen und ich lasse mir ungern auf den Frack hauen.

Ausserdem bin ich immer gern mit Menschen unterwegs, von denen ich denke, dass ich bei ihnen etwas lernen kann. Menschen mit Ahnung von Dingen, die ich nicht, oder noch nicht habe. Eigentlich kann ich - wem auch immer - nicht genug danken, dass ich durch Zufall das "Plus Eins" von erfahrenen Hundeführern geworden bin.

Ihr meint, ich hätte viel Ahnung?

Falsch!

Ich lerne gerne.

Und ich reflektiere...

Da kommen die Glitzershirts ins Spiel.

Jedes Mal aufs Neue erlebe ich so viele Dinge, über die ich nachdenken muss, dass ich dafür praktisch eine Woche Urlaub nehmen müsste.

Ich schreibe das hier nicht, um meinen Hund schlecht zu machen oder um mich schlecht darzustellen, sondern weil ich mit jeder Saison; jeder Nachsuche, die ich begleite; jedem Gespräch merke, wie wichtig es ist, dass man ehrlich zu sich selbst ist.

Nicht nur zu sich, auch zu seinen Hunden.

Gerade Nachsuchen sind ein so hochkomplexes Business aus Wissen, Vertrauen, Biss, Durchhaltevermögen und Teamwork, aber wieviele Menschen verstehen das?

Mir ist heute mehr denn je klar geworden:

Ich werde mit meiner Hündin keine Nachsuchen machen.

Ja, wir sind VGP geprüft.

Das heisst nichts!

Wir sind in anderen Sparten ein so viel besseres Team... für Nachsuchen hat sie zu wenig Biss. Sie liebt actionreiche Arbeit, Nachsuchen sind das meist nicht. Es ist harte Kopfarbeit und eine Hetze schaut einfach oft nicht dabei heraus, sondern häufig eher die Enttäuschung, dass man am Ende doch nichts mehr finden kann.

Das Rätsel "Nachsuche" überlassen wir lieber besseren Gespannen.

Nachsuchen erfodern Biss, Durchhaltewillen und man muss sich - wenigstens hier im Schwarzwald - immer darauf einstellen, dass man an die Grenzen der körperlichen Belastbarkeit kommt. Als leicht übergewichtige, etwas phlegmatisch angehauchte Kreideschubserin, muss ich mich mit einem Förster, der früher Triathlon gelaufen ist, nicht messen wollen.

Würde ich furchtbar gern.

Aber auch da:

Man sollte den Tatsachen einfach ins Auge schauen!

Ich arbeite dran... irgendwann hole ich ihn ein.

Diesem Artikel fehlt wahrscheinlich die gewohnte Action, aber ich habe in meinen wenigen Jahren mit Jagdschein vor allem gelernt, dass ich gar nichts weiss. Aber...

wenn man gut zuhört,

aufmerksam ist

und sich selbst immer wieder hinterfragt,

dann, dann wird man vielleicht ein guter Jäger....

 

Vielleicht ist es bei mir in zwanzig Jahren auch so weit. Besonders die letzte Drückjagd hat mir gezeigt, dass ich so oft noch froh bin, wenn ich eben nicht alleine da stehe, wenn der Kelch des Abfangens halt doch nicht an mir vorbeizieht.

Wenn da noch jemand anderes ist, der ruhig bleibt, weil er (in dem Fall war es eine sie) weiss, was zu tun ist.

Ich hätte es alleine wahrscheinlich schon irgendwann hingekriegt, aber wann?

Ich bin im Nachhinein einfach sehr dankbar, dass ich da nicht alleine stand.

Jagen bedeutet für mich vor allem eines:

Seine Taten und Handlungen hinterfragen,

mit dem Glitzershirt vor dem Spiegel sitzen und sich fragen,

ob das, was man da tut, nicht das eigene Ego streichelt,

sondern ob man wirklich dazu in der Lage ist.

Ob man den passenden Hund,

die benötigte körperliche Fitness,

das nötige Wissen,

die passende Optik,

das passende Gewehr

und die Übung für die eine oder andere Situation hat.

Was ich manchmal in den sozialen Medien lese, lässt mir schier die Haare zu Berg stehen. Ein bisschen mehr Glitzershirt würde uns allen manchmal sehr gut tun!

 

In diesem Sinne

Waidmannsheil